<<< zurück                                                                                                                                                                                 vorwärts >>>

AND YOUR BIRD CAN SING

Die beatles, die gruga-halle und ich

von Herbert Neugebauer

 

 

Bereits 1965 hatte ich mein erstes Konzert erlebt: The Kinks im Union-Theater in Bochum, damals ein Kino alter Schule mit einem einzigen großen Saal.

 

Dann wurde im April 1966 bekannt, dass die Bravo „meine" Beatles nach Deutschland holen wollte. Als dann die Essener Gruga-Halle als Veranstaltungsort feststand, gab es bei mir kein Halten mehr. Ich würde dabei sein, auch wenn mein Vater sofort ein Verbot aussprach. Ich war ja gerade im Mai erst siebzehn geworden. Und damals…

 

An einem Montag im Mai begann der Vorverkauf im Bochumer Verkehrsverein, damals im Hbf untergebracht. Eine halbe Stunde vor Öffnung war ich da. Ich war der Einzige. Um acht Uhr morgens waren es dann 2 oder 3 Jungs mehr. Egal, ich hatte mein Ticket. Blau war es. DM 20,00 hat's gekostet, so viel wie zu dieser Zeit in etwa eine LP. Also ein Schnäppchen im Vergleich zu heutigen Preisen. Ich hab's heute noch…

 

Ich hatte allerdings 2 Karten gekauft. Die zweite war für meinen Kumpel Michael, dessen Vater uns dann auch nach Essen fahren sollte.

 

Es begann eine aufgeregte Wartezeit, jede Woche gab es eine neue Bravo mit Neuigkeiten. Sie wussten damals schon, wie man Umsatz generiert.

 

Dann war es soweit. Der 25. Juni war da. Ein Samstag. An diesem Tag hatte ich auch Tanzstunde. Egal, Bobby Linden musste warte – ich hatte wesentlich Wichtigeres vor.

 

Mein Vater, durch die Berichte im TV alarmiert, erneuerte drastisch sein Konzertverbot. Scheiß egal. Ich war ja nachmittags in der Tanzschule. Meine Mutter war allerdings eingeweiht.

 

Michaels verständnisvollerer Vater fuhr uns nach Essen. Eine solch riesige Menge junger Leute auf einem Haufen wie vor der Gruga-Halle hatte ich noch nie gesehen. Aber auch viel Polizei, auch auf Pferden.

 

Nach langem Anstehen erreichten wir unsere Plätze, halbrechts von der Bühne, ziemlich nah dran.

Und dann begann es, das Vorprogramm, angesagt von Charlie Hickman:

  1. The Rattles aus Hamburg – sie hatten schon in den Hamburger Zeiten der Beatles Kontakt mit ihnen

  2. Cliff Bennett & the Rebel Rousers – sie spielten schon ‚Got to get you into my life' von Revolver, obwohl das neue Album noch nicht erschienen war

  3. Peter & Gordon – Peter Asher ist der Bruder von Jane, der damaligen Freundin von Paul. Natürlich spielten sie die Lennon-McCartney Kompositionen ‚A World Without Love‘ ‚Nobody I Know‘ und ‚Woman', die in England grosse Hits waren

Es dauerte ca. 90 Minuten. Ich weiß heute nicht mehr genau, wie ich das damals empfand. War ich ungeduldig? War das Vorprogramm schlecht oder gar völlig unnötig? Ich tendiere dazu, es gut gefunden zu haben, da ich ja alle Gruppen schon gut kannte.

 

Aber dann: Charlie Hickman’s Ansage, Geschrei, Getrampel, Kreischen: sie waren da!!!!!!!!

 

Schwarze Anzüge, die bekannten Gitarren, die vertrauten Songs.

 

John stand auf meiner Bühnenseite. In der Mitte Paul. George war ganz links. Und darüber thronte Ringo an seinen Ludwig-Drums.

 

Die Mädchen auf der rechten Tribüne kreischten ‚Jooohhhnnn', er ging auf die Knie, hob beide Arme und bedankte sich.

 

Ich musste daran denken, dass alles schnell vorbei sein würde. Und so kam es auch. 30 Minuten waren vorbei. 11 Songs waren gespielt. Paul hatte zum Schluss ‚I'm Down‘ gebracht. Nicht gesungen, mehr geschrien – einmalig, begeisternd.

 

Danach war ich auch ‚down'. Natürlich weil es vorbei war, aber ich glaube, ich war auch körperlich down, total geschafft.

 

 

Raus aus der Halle, Auto suchen, Fahrt nach Bochum wie in Trance. Und dann zu Hause: mein Vater hatte sich an meinem Zimmer zu schaffen gemacht. Alle Poster (und ich hatte alle Wände voll) waren runtergerissen. Nur der VfL-Wimpel hatte überlebt. Die Spieler hatten ja auch damals noch keine langen Haare…

 

In der Woche vor dem Konzert hatten wir in der Tanzschule die ersten Schritte "Foxtrott" gelernt. Während meiner Abwesenheit hatten sie alle die dazugehörige Drehung gelernt, die ich natürlich nicht drauf hatte. Ich scheiterte kläglich. Es gipfelte darin, daß der Tanzlehrer Bobby Linden sich alle im Kreis aufstellen ließ. Mitten darin musste ich dann mit ihm die Drehung üben. Ich mit einem Mann - vor allen hübschen Mädchen  - mit denen ich noch Pläne hatte. Ich war an diesem Samstag zum letrzten Mal da. Das Ende meiner Tanzkarriere.

 

Na ja, für meine Musik braucht man eh keinen Foxtrott(el).